Sicherer Stand, offene Haltung, Blickkontakt, das Gesagte mit den Händen unterstreichen… Diese und ähnliche Tipps sind Klassiker wenn es darum geht, in Vorträgen sicherer zu wirken und bewusst mit der eigenen nonverbalen Kommunikation umzugehen. Häufig werden auch Verbote ausgesprochen wie: nicht die Arme verschränken, nicht zu viel hin und herlaufen etc. In manchen Fällen ist damit schon viel getan. Aber zum einen passen diese Hinweise nicht in jeder Situation und zum anderen wirken die so generierten Gesten mitunter gezwungen oder unauthentisch. Statt bestimmte Gesten oder Gebärden zu imitieren ist es meines Erachtens viel sinnvoller, zu verstehen, was bestimmte Gesten ausdrücken und in welchen Situationen sie stimmig sind. Wenn du auf dein eigenes Repertoire vertraust und es angemessen in deiner nonverbalen Kommunikation einsetzt, wirkst du authentisch und charismatisch.
Eine, meiner Meinung nach, sehr griffige Einteilung von grundlegenden Gestentypen ist die der „Sechs Grundgebärden“. Roland Matthies stellt sie beispielsweise in seinem Artikel „Sprechhaltungen des Schauspielers“ in Wissenschaft macht Schule: Sprechwissenschaft im Spiegel von 10 Jahren Sommerschule der DGSS (2004) vor. Im Kern geht es um drei Gegensatzpaare von Gesten, die er als „Ausdruckskanon“ bezeichnet: Sympathie-Antipathie, Wirksamkeit-Bedächtigkeit und Abgrenzung-Erkundung. Er bezieht sie auf die Grundhaltungen dramatischer (wirksam und antipathisch), lyrischer (erkundend und sympathisch) und epischer Texte (abgrenzend und bedächtig). Außershalb des Theaters sind diese Grundgesten m.E. deswegen ebenfalls so gut geeignet, da sie wesentliche Formen von Beziehungsangeboten darstellen. Wenn ich weiß, mit welchem Typ Geste ich meinem Gegenüber welches Beziehungsangebot mache, dann kann ich sie gezielt wirksam einsetzen.
Sympathische Gesten sind ihrer Qualität nach eher sanft, einladend und deuten eine Bewegung zum Sprechenden hin an. Das kann z.B. ein zu sich Heranziehen oder Winken sein, ein Ausholen zum Berühren oder ein Streicheln. Sie drücken Zuneigung aus und bestärken den oder die Adressaten. Beziehungsangebote sind beispielsweise „Ich mag dich“, „Du bist mir wichtig“ oder „Ich gebe dir Raum“.
Sie können dazu dienen, eine emotionale Nähe zu deinen Adressaten aufzubauen oder zu stärken. Das ist bspw. sinnvoll, wenn du Herzlichkeit, Willkommen Sein oder Komplizenschaft kommunizieren möchtest. Ein übermäßiger oder unangemessener Gebrauch sympathischer Gesten kann aber auch ein Gefühl von Zudringlichkeit oder Übergriffigkeit bewirken. Es hängt stark von der Situation und der Klientel ab, welches Maß angemessen ist.Grundsätzlich gilt, je vertrauter du mit deinen Adressaten bist, desto herzlicher und näher dürfen die Gesten sein. Wird die Beziehung im Lauf der Interaktion gefestigt und vertrauter, können auch die sympatischen Gesten im Verlauf herzlicher werden.
Antipathische Gesten sind eher hart, schnell und schroff. Es sind bspw. Bewegungen wie Abschütteln, Wegschleudern, Abwinken oder Ähnliches. Sie vermitteln Abneigung oder Abwertung. Auf der Beziehungsebene sagen sie sowas wie „Ich hasse dich“, „Du bist mir nichts wert“ oder „Ich will, dass du verschwindest“.
Richten sich antipathische Gesten gegen die Adressaten, so fühlen sie sich vor den Kopf gestoßen, beleidigt oder verärgert. Du kannst sie aber auch auf positive Weise einsetzen. Richtest du die antipathische Geste z.B. gegen jemand Drittes, etwa einen gemeinsamen Gegner, so kann sie zur Fraternisierung mit deinen Adressaten beitragen. Nutzt du sie ironisch (und wird sie auch so verstanden), kann sie auch positiv bestärkend auf die Beziehung zu deinen Adressaten wirken. Aber Vorsicht: Es geschieht leicht, dass man im Gespräch Aussagen oder Empfindungen des Gegenüber durch kleine antipathische Gesten – wie z.B. ein Abwinken – abwertet, obwohl das gar nicht beabsichtigt war. Solche Gesten können sehr kränkend wirken und eine intendierte wertschätzende Haltung ruinieren.
Wirksamkeitsgesten sind ihrer Art nach schneidend oder spitz zustoßend. Es geht i.d.R. darum, auf etwas zu deuten oder eine Richtung zu weisen. Das können z.B. ein Wischen mit der Hand oder ein Fingerzeig sein. Beziehungsangebote, die mit diesen Gesten kommuniziert werden, sind bspw. „Ich möchte, dass du siehst“, „Ich will, dass du verstehst“ oder „Ich weiß, dass du kannst“. Sie können Handlungsaufforderungen untermauern, Motivation und Engagement befeuern oder Bewegung initiieren.
Mit Wirksamkeitsgesten verleihst du deinen Aussagen und Aufforderungen Kraft und Energie. Dabei kommt es sehr darauf an, wie deine Beziehung zu deinen Adressaten bis hierhin gestaltet ist. Bist du eher konfrontativ, kann die Energie der Wirksamkeitsgesten leicht zu Gegenwind und Ablehnung führen. Hast du deine Adressaten klar auf deiner Seite, kannst du damit den Zuspruch verstärken. Achte also darauf, in welchem Gefühl deine Adressaten sind und wie eure Beziehung gestaltet ist, denn die Wirksamkeitsgesten können den aktuellen Zustand verstärken und verschärfen.
Bedächtigkeitsgesten sind solche, die mit einer Selbstberührung einhergehen. Z.B. die nachdenkliche Hand am Kinn, das nervöse Nesteln am Saum des T-Shirts, das nervöse Überkreuzen der Beine oder das grummelige Verschränken der Arme. All diese Gesten ist gemein, dass sie einen Rückbezug auf sich selbst kommunizieren. Sie sagen „Ich bin gerade mit mir beschäftigt“ oder „Ich muss mich mit mir selbst verständigen“. Das kann bspw. heißen „Ich muss nachdenken über das, was du sagst“, „Ich möchte mich nicht damit befassen“ oder „Ich bin mit meiner Aufmerksamkeit bei mir, weil ich nervös/ängstlich/unsicher/überfordert bin“.
Wesentlich ist die Feststellung, dass Bedächtigkeitsgesten nicht automatisch Ablehnung oder Abweisung demonstrieren. Das „mit sich beschäftigt sein“ kann durchaus angemessen und ggf. sogar wertschätzender sein als eine offene Pose. Beispielsweise dann, wenn es dem Gegenüber wichtig ist, dass du dich mit dem, was es sagt, ehrlich auseinandersetzt. Oder wenn es deinen Adressaten gut tut, dass auch du mal über eine Antwort nachdenken musst. Es ist beispielsweise eine wertvolle Erfahrung für Lernende, zu erleben, dass nicht nur sie mit dem Stoff zu kämpfen haben, sondern, dass es auch für Profis herausfordernd sein kann. Gleiches gilt, wenn du Betroffenheit äußern möchtest oder den Umstand, dass du überrascht oder beeindruckt bist. Es gibt also zahlreiche Situationen, in denen Bedächtigkeit und an sich haltende Gesten genau richtig sind.
Abgrenzende Gesten sind kurz abgesetzte, abblockende, stoßende oder teilende Bewegungen. Sie dienen entweder dazu, sich von anderen zu distanzieren, um Raum für sich zu gewinnen oder, um sachlich Dinge, Aussagen, Sachverhalte etc. voneinander abzugrenzen. Im ersten Fall ist die Botschaft „Geh weg“, „Ich möchte alleine sein“ oder „Das ist mir zu viel/zu nah/zu intensiv“. Im zweiten Fall können abgrenzende Gesten besagen „Ich bin sachlich“, „Ich folge einer Struktur“ oder „Ich möchte klarstellen“.
Abgrenzende Gesten können dir also helfen, dich zu distanzieren oder die Sachlichkeit deiner Argumentation zu unterstreichen. Doch gibt es auch hier Stolperstellen. Passt die abgrenzenden Geste nicht zu dem, was du sagst – beispielsweise, weil dein übriges Verhalten die Abgrenzung als unwahr entlarvt ( „ich möchte dich nicht beleidigen, aber…“) oder weil deine Aussagen nicht so sachlich, korrekt oder wahr sind, wie du vielleicht behauptest – so unterstreichen die abgrenzenden Gesten eher die Wahrnehmung von Unehrlichkeit oder Inkompetenz. Achte also auf deine Inhalte!
Erkundende Gesten sind solche, die man beispielsweise beim ehrlich interessierten Nachfragen nutzt. Das können z.B. vortastende oder rollende Bewegungen mit den Händen sein. Auch Kopfnicken oder Zitterbewegungen können diesen fragenden Charakter haben. Die Beziehungsbotschaften können sein „Ich möchte wissen“, „Ich möchte verstehen“ oder „Mich interessiert“.
Mit erkundenden Gesten bekundest du aufrichtiges Interesse an deinen Adressaten und animierst zum Nachdenken, zum Erzählen oder zum Fortfahren. Das kann, wenn die Situation und Beziehung stimmt, sehr wertschätzend erfahren werden. Bekommt die Situation jedoch einen Verhör- oder Prüfungscharakter, wirkt es mitunter verunsichernd oder bedrängend. Wieder ist es eine Frage der richtigen Beziehung und des richtigen Maßes. Wenn mich das Gefühl beschleicht, mein Gegenüber könnte sich wie in einem Verhöhr fühlen, wechsele ich gerne die Ebene und stelle erst einmal sicher, dass sich mein Gegenüber noch wohl fühlt.
Du siehst, für eine wirksame nonverbale Kommunikation kommt es auf mehr als eine offene und selbstsichere Haltung an. Die sechs Grundgebärden bieten dir einen ganzen Strauß von Möglichkeiten, deine Vorträge, Präsentationen oder sonstige Interaktionen wirksamer zu gestalten. Wenn du weißt, welche deiner dir eigenen Gesten welche Wirkung haben, kannst du sie auch gezielt einsetzen. Dabei ist die Beziehung zu deinen Adressaten von größter Bedeutung. Sie entscheidet darüber, ob eine Geste zu deinen Gunsten oder zu deinem Nachteil wirkt. Daher ist es wichtig, ein gutes Gespür für deine Adressaten zu bekommen, und dafür, wie sie emotional zu dir stehen.
Auch dabei können dir die Grundgesten helfen. Du kannst sie nämlich ebenso nutzen, um Rückschlüsse auf die innere Welt deiner Adressaten zu ziehen. Sind sie dir zugetan oder nicht? Wollen sie mehr wissen oder sind sie überfordert? Sind sie mit sich beschäftigt oder bei dir? Natürlich werden sie nicht wild mit den Händen gestikulieren. Ihre Gesten werden subtiler sein und sich bspw. in Haltung von Kopf, Köper, Armen etc. sowie unbewusst ausgeführten Bewegungen wie z.B. Fußkreisen äußern. Aber wenn du weißt, wonach du suchen musst, kannst du sie entdecken.
Behalte also die Beziehung zu deinen Adressaten im Blick, gestalte und pflege sie mit positiven Beziehungsangeboten, Wertschätzung und Empathie. Bleibe dabei authentisch und kongruent. Nutze gezielt dein eigenes Gestenrepertoire und arbeite lieber daran, dich wirklich wohl zu fühlen, als nur so zu tun, als ob. Im Endeffekt gilt: Wenn du einen guten Eindruck von dir und der Situation hast, wirst du auch zu einem guten Ausdruck finden.
Wenn du möchtest, unterstütze ich dich gerne dabei.
Dein Sebastian