Respekt ist wichtig, insbesondere für Menschen, deren Job es ist, andere anzuleiten, wie z.B. Führungs- oder Lehrkräfte. Respekt ist Grundlage für das konstruktive Miteinander. Wir wollen respektvoll miteinander umgehen. Das meint häufig insbesondere die Erwartung, dass die Anvertrauten, die Angestellten, die Untergebenen der Person da vorne Respekt zollen sollen. Und wenn das nicht klappt, dann muss man wohl mehr „Respekt einfordern“ oder „Respekt gebieten“ oder „Respekt einflößen“. Ich bin überzeugt, dass das nur euphemistische Formulierungen sind für „Angst machen“ und „Druck machen“. Meiner Ansicht nach ist Respekt nichts, das man „hat“ oder „sich verschaffen“ kann. Respekt ist etwas, das man von anderen bekommen muss, quasi als Geschenk. Weil man ihn verdient hat, sich des Respekts würdig erwiesen hat. Das ist natürlich nicht so einfach wie Angst einzujagen oder Druck zu erzeugen. Aber es ist nachhaltiger. Und gesünder für alle Beteiligten. In diesem Artikel möchte ich dir erläutern, was der Unterschied zwischen Angst machen und Respekt verdienen ist, warum Respekt eine Frage der Beziehung ist, und was das alles mit Autorität zu tun hat.
Wenn wir andere anleiten oder führen wollen, dann ist das keine leichte Aufgabe. Wir sind auf die Kooperation der anderen angewiesen. Diese Kooperation nehmen wir als eine Form des Respekts wahr und versuchen, sie uns zu sichern, indem wir verschiedene Strategien nutzen.
Zum einen gibt es die Strategie, auf Regeln für das Miteinander
zu setzen. Solche Regeln sind wichtig und im Kern ein gute
Sache, aber wenn wir sie missbrauchen, um andere auf Spur zu
zwingen, dann bekommen sie einen faulen Beigeschmack.
„Ihnen ist schon klar, dass das hier ein Anwohnerparkplatz
ist, oder?“
Hier wird eine geltende Regel
missbraucht, da die Konsequenzen des Missachtens der Regel
nicht zum Schutz des Miteinanders angewendet werden, sondern um
emotionalen Druck auszuüben und den Anderen zu einer Handlung
zu zwingen. Dabei hält sich die drohende Person selbst
vermeintlich weitestgehend frei von Schuld, da sie ja „nur“ auf
bestehende Regelungen verweist.
Eine weitere Strategie ist das Drohen mit übergeordneten
Instanzen.
„Wenn du mir weiter so den Unterricht störst, dann
informiere ich deine Eltern/die Schulleitung.“
„Wenn Sie weiterhin so dreist Ihre Aufgaben den Kollegen
zuschieben, dann melde ich Sie der
Betriebsaufsicht.“
Dies ist im Grunde eine
Form der Erpressung, bei der die Angst vor nicht näher
erläuterten Konsequenzen, die man von Dritten zu erwarten hat,
ausgenutzt wird, um die Kooperation zu erzwingen. Die drohende
Person ist dabei zwar insofern aktiv, als dass sie meist
diejenige ist, die ein Fehlverhalten meldet, aber abgesehen vom
„Petzen“ spricht sie sich wieder von Schuld frei. Tatsächlich
erzeugt sie aber auch hier gezielt Angst.
Deutlich aggressiver ist die Strategie, selbst mit dem Zufügen
von Schaden zu drohen.
„Räum jetzt endlich dein Zimmer auf, sonst
knallt’s.“
„Bringen Sie das Projekt bis Freitag zu Ende oder sie
können sich ab Montag einen neuen Job
suchen.“
Wer hier noch glaubt, sich dadurch
Respekt zu verschaffen, blendet sich selbst.
Eine weitere Strategie möchte ich noch ansprechen, und zwar
„die Nummer mit dem schlechten Gewissen“.
„Haben Sie eigentlich eine Ahnung, was das für mich wieder
an Überstunden bedeutet, wenn Sie sich da jetzt
rausziehen?“
„Das ist echt ein starkes Stück, dass du lieber mit deinen
Freunden feiern gehst, als mir im Haushalt zu helfen. Ich bin
echt enttäuscht.“
Diese Art Druck aufzubauen
ist besonders gefährlich, da sie so doppelbödig ist. Indem man
dem Anderen unterstellt, aus Egoismus, Ignoranz, Desinteresse,
mangelndem Einfühlungsvermögen oder sonstigen niederen Gründen
in Kauf zu nehmen, jemanden zu verletzten, wird die Beziehung
nachhaltig geschädigt. Diese Schäden schwelen unter der
Oberfläche, manchmal über Jahre, summieren sich mit ähnlichen
Verletzungen auf und brechen irgendwann in einem großen Knall
hervor.
Aus der Sicht der Person, die sich da versucht Respekt zu verschaffen, mag das alles legitimierbar wirken, aber im Endeffekt macht sie einen entscheidenden Fehler: Sie setzt auf Druck statt auf Beziehung. All das sind Versuche, den anderen dazu zu zwingen, sich „respektvoll“ zu verhalten, was hier eigentlich bedeutet: „Tue das, was ich will“. Und das ist keineswegs respektvoll!
Damit der andere wirklich Respekt aufbringt, muss er es selbst wollen. Und das tut er nur, wenn er das Gefühl hat, dass diese Person den Respekt auch verdient hat. Und das gelingt nur dann, wenn die Beziehung zwischen beiden gesund ist.
Wenn ich möchte, dass mich jemand respektiert, dann muss ich diese Person auch respektieren. Wenn ich mich respektlos verhalte, wird die andere Person keinen Anlass dazu sehen, mir Respekt zu zollen. Was bedeutet es also, Respekt zu zeigen?
Zunächst einmal ist es sicher nicht respektvoll, davon auszugehen, dass der Andere tun muss, was ich will, nur weil ich die „Respektperson“ bin. Ebenso wenig darf ich annehmen, dass er es tun sollte, weil ich es an seiner Stelle täte. Beide Annahmen untergraben einen Grundpfeiler des respektvollen Miteinanders, nämlich die Wertschätzung. Der andere hat vielleicht andere Erfahrungen gemacht, hat andere Voraussetzungen, andere Bedürfnisse oder denkt Dinge anders als ich. Und das ist für sich genommen zunächst einmal ok. Er ist nicht schlecht, nur weil er anders „tickt“. Wenn ich mir anmaße, zu wissen, was der andere jetzt tun oder denken oder fühlen sollte, dann ist das übergriffig von mir. Und damit auch respektlos. Wenn ich also eine respektvolle Beziehung initiieren will, dann muss ich mit Respekt beginnen, mein Gegenüber annehmen und offen für seine Bedürfnisse und Wünsche sein. Denn wie es in der gewaltfreien Kommunikation so schön heißt: Erst wenn wir uns auf der Ebene der Bedürfnisse gegenseitig verstehen, können wir zu einem Einverständnis gelangen.
Es hängt also alles davon ab, welche Beziehungsangebote ich mache. Wenn ich mein Gegenüber respektvoll und auf Augenhöhe behandle, dann habe ich die besten Voraussetzungen dafür geschaffen, dass er mich als respektwürdig erachtet. Augenhöhe hat übrigens nichts mit sozialer Stellung oder Rolle zu tun. Ich kann als Führungskraft meinen Unterstellten auf Augenhöhe begegnen, ebenso wie als Lehrkraft meinen Schüler:innen oder deren Eltern. Das mag manchmal anstrengend sein, aber auf lange Sicht zahlt es sich aus. Denn wenn ich von vornherein auf Respekt statt Machtspiele setze, dann werde ich viele Kämpfe gar nicht erst ausfechten müssen.
Auch Autorität ist nichts, was man einfach „hat“, sondern etwas, das Andere einem zuschreiben. Wenn ich mich respektvoll verhalte und als respektwürdig erweise, dann bilde ich mit der Zeit eine „natürliche“ Aura des Respekts aus, weil mir dieses Verhalten zu eigen wird. Und das ist es, was manche als „natürliche Autorität“ beschreiben. Menschen mit natürlicher Autorität müssen nämlich keinen Druck aufbauen, damit man mit ihnen kooperiert. Man tut es, weil es sich richtig anfühlt. Dann schenkt man gerne diesen Respekt.
Auf Wikipedia steht sehr schön formuliert:
Sie [die Autorität] entsteht in gesellschaftlichen
Prozessen oder durch vorausgehende Erfahrungen von
Charisma.
Sowohl die gesellschaftlichen Prozesse als auch die vorausgehenden Erfahrungen von Charisma, welche zum Beimessen von Autorität zu einer Person (oder im weiteren und übertragenen Sinne auch zu einer Institution) führen, nehmen ihren Anfang im respektvollen und respektwürdigen Verhalten der Person (oder Institution).
Wenn du dich beim Lesen dieses Artikels das eine oder andere Mal ertappt gefühlt hast oder gerade das Bedürfnis verspürst, dich zu rechtfertigen, lass mich gleich eine wichtige Sache vorweg nehmen: Das oben beschriebene Verhalten ist normal und es fiele mir im Traum nicht ein, dich dafür zu verurteilen. Erstens können viele Menschen sich gar nicht anders verhalten, weil sie es nie von anderen Menschen erfahren haben. Zweitens ist kein Mensch perfekt und absolut jeder wird, auch wenn er der charismatischste Mensch der Welt ist, gelegentlich in eines dieser Muster verfallen. Es gibt immer Situationen, in denen der Ärger schneller ist als die Wertschätzung. Das ist menschlich. Die Frage ist, wie man damit umgeht.
Die gute Nachricht lautet: Man kann respektvolles Miteinander lernen. Und das bedeutet in Folge auch: Man kann charismatische Ausstrahlung trainieren. Und damit kann man es auch erreichen, die Autorität, die einem zugeschrieben wird, zu stärken, ohne Druck erhöhen zu müssen. Dazu bedarf es dreier Dinge:
Es geht also einerseits um Arbeit an deinem Mindset (Überzeugungen, Denkmuster, Glaubenssätze) und andererseits um den Ausbau von Kommunikationskompetenz. Ersteres erreichst du beispielsweise sehr effektiv durch Coaching, da du im Coachingprozess ganz individuell an deinen persönlichen Baustellen arbeiten kannst. Letzteres trainierst du am besten praktisch unter Anleitung. Man kann es sich auch aus Büchern anlesen und dann in der Praxis üben, aber dabei dauert es u.U. länger, bis du den Dreh raus hast, da i.d.R. konkretes, lernförderliches Feedback fehlt.
Wie denkst du darüber? Lass uns ins Gespräch kommen. Ich freue mich drauf, von dir zu hören!
Dein Sebastian